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Schwankender Boden, gelogene Säulen

von Dr. Magdalena Holzhey

erschienen im Katalog: Constantin Wallhäuser - Excuse Me While I Disappear, Verlag Kettler 2017

Dein sogenanntes Bewusstsein ist ein Flackern, ein Traum ist es, den niemand träumt.
Daniel Kehlmann, F

Schwankender Boden, gelogene Säulen

Ein Raumschiff ist auf dem Weg von der Erde zum Mars. Menschen darin sterben ohne sichtbaren Grund, andere werden von Albträumen heimgesucht, gleichwohl kann nichts sie auf ihrem Weg zu einem neuen Planeten aufhalten. In seiner Erzählung Die Verbannten lässt Ray Bradbury eine vernunftgesteuerte, wissenschaftshörige Zivilisation der Zukunft mit den geistigen Erzeugnissen ihrer Vergangenheit zusammenprallen – den Ausgeburten der Fantasie, den großen Dichtungen des Zauberhaften, Magischen, Abgründigen, die im Dienst einer aufgeklärten, von allem Chaos bereinigten Welt vernichtet wurden. Edgar Allan Poe, Charles Dickens, William Shakespeare und ihre Geschöpfe sind mit vielen anderen auf den Mars geflohen und suchen verzweifelt ihr Reich gegen die nahenden Raumfahrer zu verteidigen. Bradburys bildgewaltige Parabel auf den Sieg der kalten Vernunft über die Kreativität und das Irrationale, mit der er das Thema seines späteren Romans Fahrenheit 451 vorwegnimmt, führt tief in die Welten der Psyche, der Träume und der Imagination, darin seinem Vorbild Edgar Allan Poe eng verbunden.
Es gibt mehrere Parallelen zu Constantin Wallhäusers Werken, die sich hier anschließen lassen – nicht nur die Tatsache, dass der Künstler selbst Poes Erzählungen zu seinen wichtigsten Inspirationsquellen zählt. In seinen Arbeiten jongliert Wallhäuser virtuos mit den Mechanismen des Magischen und Okkulten, beschwört kollektive Geister und Sehnsüchte mitten in unsere materialistische Gegenwart herauf. Die dabei verwendeten Mittel sind vielfältig und ziehen den Betrachter unmittelbar in die seltsamen Welten seiner bühnenhaften, suggestiven Räume. Raffiniert komponiert und inszeniert Wallhäuser Raum, Skulptur, Film, Licht und Sound und verdichtet sie erzählerisch.
Die Arbeit Tischfinsternis bezieht ihre Wirkung aus einem ebenso einfachen wie bestechenden Trick. Wir stehen vor einer realen Skulptur – einem einfachen Holztisch mit mehreren (vermeintlichen) Holzmaserungen – auf dessen Oberfläche eine Hand projiziert wird, die die Tischoberfläche behutsam und suchend abtastet. Verblüffenderweise scheint sich die Hand unter der Maserung zu bewegen, in einem Zwischenraum, der sich weder der Realität des Tisches noch der Realität des Gefilmten eindeutig zuordnen lässt, obwohl sie sich sichtlich an der Haptik der Oberfläche entlang arbeitet. Der Effekt entsteht allein dadurch, dass der Künstler den Tisch abgefilmt hat und ihn 1:1 auf die eigene Oberfläche projiziert, oder anders gesagt: Der Tisch ist Realität und Bild zugleich, während die Hand einer geisterhaften Erscheinung in einem unbestimmten Dazwischen gleicht.
Immer wieder findet Constantin Wallhäuser solche eindringlichen Bilder für eine Zwischenwelt, die dem Reich des Traums, der Erinnerung, des Geheimnisvollen anzugehören scheint. Gleichzeitig entpuppen sie sich als Taschenspielertricks, als Camouflage. Auch in diesem Fall ist die Holzmaserung „gelogen“, durch PVC und Styrodur billig imitiert. Der Künstler nutzt mit Vorliebe solche Versatzstücke, die er „Sehnsuchtsmaterialien“ nennt, Materialien also, die Gefühl nur vortäuschen und überall Brüche sichtbar werden lassen. Wirken Wallhäusers Arbeiten geistig im 19. Jahrhundert verwurzelt, in der deutschen Romantik und im Symbolismus, so tauchen diese Reminiszenzen als Sehnsuchtsbilder auf, deren Funktion im Moment ihrer Vorführung entlarvt wird. So auch in der Projektionsinstallation Münzfund, deren Titel gleichzeitig auf das Geheimnis der Arbeit anspielt. Wir sehen im Vordergrund eine Skulptur in Form eines Holzblocks sowie dahinter an die Wand geworfen die Projektion einer mit einer Axt auf den Schatten des Blocks einhackenden Figur. Basierend auf einem tatsächlichen Zufallsfund des Künstlers wird der Holzblock, auf den der projizierte Holzhacker einschlägt, zu einem Objekt mythischer Natur: Im Märchen fände der Holzhacker vermutlich irgendwann den darin verborgenen Schatz, hier jedoch ist er gezwungen, unablässig auf einen Schatten einzuhacken, der darüber hinaus von einem Holzblock geworfen wird, der nicht ist, was er scheint, sondern eine Imitation aus Rigips. Im Grunde verschränken sich in dieser Arbeit vier Grade oder Abstufungen von Realität: Der vermeintliche Holzblock, sein scharfer Schattenwurf an der Wand, die projizierte Figur – und der ursprünglich gefundene Holzblock, der der Szene als Narrativ, als Erinnerung und als Symbol einer uneinlösbaren Sehnsucht zugrunde liegt. Dass der Schatten hier das am deutlichsten erkennbare, gleichsam das realistischste Detail ist, lässt ihn als Mittler zwischen Körper und Geist oder zwischen Realität und Symbol eine Schlüsselfunktion einnehmen. Der Schatten beweist die Existenz des Holzblocks, ohne dessen Beschaffenheit wirklich offenzulegen; er ist Objekt der Handlung ohne physische Präsenz.
Wir stehen vor unlösbaren metaphysischen Herausforderungen. Die agierende Figur in ihrem Zwischenreich – immer der Künstler selbst, immer in demselben, identitätsstiftenden Anzug – hat ein Problem mit der Welt, in der sie sich befindet. Das Material, mit dem sie arbeiten muss, ist irgendwo zwischen Realität und Schatten oder Kopie angesiedelt, die Daseinsform, in der sie sich bewegt, bleibt ebenso unbestimmt, ihre Handlungen sind verzweifelt, aber letztendlich ergebnislos. Zwischen Ironie und Tragik erzählt, sind es immer Geschichten des Scheiterns, in denen jedoch die Sinnlosigkeit des Tuns durch das Tun selbst konterkariert wird. Wütend und sichtlich angestrengt hackt die projizierte Figur in Die Axt (The Tell Tale Heart) auf einen großen roten Holzstapel ein, der sich in den Raum hinein als reale Installation fortsetzt, wodurch seltsamerweise die ins Film-Bild gebannte Hilflosigkeit der Handlung noch deutlicher spürbar wird. Der Künstler dekonstruiert die Welt, die er sich selber schafft. Dabei sollte sein Tun weniger als ein ironischer Kommentar zur künstlerischen Arbeit verstanden werden, sondern ist Metapher für das menschliche Handeln schlechthin. Die Brüche in den Wirklichkeitsebenen und die Unauflösbarkeit der Situation erzeugen eine Leerstelle, die am Ende nur jeder selbst ausfüllen kann.

Das Orchester entstand für den Raum einer alten Eisenwarenhandlung in der Berliner Wallstraße, der von vier gusseisernen Säulen getragen wird. Wallhäuser übernahm die Rundung der Galerie, um darauf eine halbrunde Projektionsfläche entstehen zu lassen, und imitierte die den Raumeindruck dominierenden Säulen mithilfe von PVC und Styrodur. Die im Raum verteilten Kopien erweiterten die halbrunde Projektionsfläche für den Film, der sich gleichsam in die Realität des Raumes hineinfraß: Eine Figur erscheint und hängt einen gebogenen, gedrechselten Stab in den Raum, der als farbiges Abbild und als sein schwarzer Schatten projiziert wird. Der Saaldiener geht ab, holt einen neuen Stab, wiederholt dies 17 Minuten lang, bis ein dichtes schwarzes Netz oder ein tanzender Strichcode entstanden ist. Deutlich wird hier auch die Vorliebe des Künstlers für das Gedrechselte, dessen handwerkliche Ausführung aus einem Strich Volumen entstehen lässt, den Stab zwar verdünnt und schwächt, ihn dabei aber fragil und elegant, sozusagen kultiviert erscheinen lässt. Mit jedem neuen Stab kommt der Ton eines Instruments hinzu, das auf „a“ gestimmt wird, um sich mit dem Orchester zu synchronisieren. Die Masse der Stäbe und der mit ihnen hereingetragenen Töne addiert sich zu einer orchestralen Kakophonie. Am Ende, wenn die größte Unruhe herrscht, vernehmen wir zudem auch noch Stimmen aus dem Publikum, aus dem Orchestergraben oder auch in unseren Köpfen – längst haben wir die Fähigkeit verloren zu unterscheiden, was hier real, was Fake ist, wo der konkrete Raum endet und die Täuschung beginnt. Dieses vollständige Einweben in das Bild erreicht der Künstler auch dadurch, dass seine Projektionen immer lebensgroß sind und den Betrachter in das Geschehen hineinziehen, als wäre er selbst beteiligt. Die Projektionsflächen der falschen Säulen holen das Geschehen noch näher an den Betrachter heran, nehmen es sozusagen unter die Lupe, machen uns zu Verbündeten in einem Spiel, dessen hypnotischer Wirkung man sich nur schwer entziehen kann, bis hin zum völligen Verlust der Unterscheidung zwischen Realität und Illusion.
Es gehört zu den Besonderheiten von Wallhäusers Arbeit, dass er uns vor Augen führt, wie willig wir uns manipulieren lassen. Seine suggestiven Tricks gleichen den Verführungskünsten der automatischen Puppe Olimpia in E.T.A. Hoffmanns Kunstmärchen Der Sandmann, von deren Schönheit und vermeintlicher Lebendigkeit sich der junge Nathanael mithilfe eines optischen Glases bezaubern lässt. Des Künstlers Raffinessen sind einfach und dabei nicht weniger verführerisch. In seiner jüngsten Arbeit Josiah projiziert Wallhäuser einen alten Westernfilm durch den Boden eines rotierenden, benutzten Whiskyglases. Erst allmählich ist unser Auge in der Lage, aus dem nebelhaften Rauschen einzelne Bildfetzen herauszufiltern. Fragmente der Erzählung scheinen auf, ein Cowboy, ein galoppierendes Pferd, eine rollende Kutsche, die sich sofort wieder auflösen, schemenhaft, gleich einer Erinnerung an eine Welt, die selbst schon Illusion ist. Die Dekonstruktion des Bildes lässt an frühmoderne Experimente mit Film und Licht denken, deren Wirkung Laszlo Moholy-Nagy als die Artikulation von Emotion, „an inner vision in motion“ beschrieben hat. Der darunter liegende Sound, aus einer Geräusch-Platte zusammengeschnitten, verstärkt das Gefühl, wir befänden uns unter Wasser oder hörten das Rauschen des Blutes in den Adern. Ein Ultraschallbild der Erinnerung, dessen Sog so stark ist, gerade weil es mehr nimmt als erklärt.
Auch Without A Ding Dong Thing On My Mind besteht aus einem durch ein rotierendes Glas projizierten Film einer tanzenden Figur. Die Art der Projektion lässt die Beine überlang erscheinen, während sich der Rest der menschlichen Gestalt nach oben hin in einem Nebel auflöst, der Kopf irgendwo in den Wolken. Der Tanz ist mal ein Gleiten, mal ein Stolpern auf einem schlingernden Boden. Was wir hören, ist die Geräuschkulisse einer Silvesternacht, Feuerwerkskörper, Stimmen, Gläserklirren: Fröhlichkeit aus der Konserve, die die Einsamkeit der tanzenden Beine noch deutlicher spürbar macht. Es sind solche Momente der verordneten Feierlichkeit, der kollektiven Hoffnung, die dem Künstler wiederum Sehnsuchtsmaterial bieten; die Momente, in denen „ungelebtes Verlangen, verworfene Lebensentwürfe, verhobene Lasten, belastende Höhen, verwunschene Tiefen“ (Wallhäuser) wie kaum sonst spürbar werden können. Es hilft ja nichts, auf dem rotierenden Boden ihrer kleinen Weltenbühne tanzt die Figur weiter und weiter. Immer wieder gelingt es Constantin Wallhäuser, die Momente einer beobachteten, gelebten oder geträumten Realität dramaturgisch zuzuspitzen, sie modellhaft zu destillieren und in allgemeingültige, existenzielle Bilder zu transformieren. Es vermittelt sich in dieser Arbeit das Gefühl, als träfe der Zauber einer Silvesternacht mit dem Kater am Morgen danach zusammen, das Festhalten an der Illusion mit dem mühseligen Erwachen in einer grauen Morgendämmerung, dem einsamen Spaziergang durch einen schmutzigen Großstadtmorgen, wenn die Träume zerstieben. Wie intensivste Momente oft mit Ernüchterung bezahlt werden müssen, so ist das Feuerwerk hier schon Nebel im Moment seines Entstehens. Und wie in Frank Sinatras Song, dessen letzte Zeile diesem Buch seinen Titel gibt, scheint uns die Arbeit zum Weitermachen aufzufordern, auch wenn die Sehnsucht bleibt und der Protagonist selbst schon im Begriff ist, zu anderen Sternen aufzubrechen: excuse me, while I disappear.

Shaking ground, pillars that lie

von Dr. Magdalena Holzhey

published in the catalogue: Constantin Wallhäuser - Excuse Me While I Disappear, Verlag Kettler 2017

Dein sogenanntes Bewusstsein ist ein Flackern, ein Traum ist es, den niemand träumt.
(Your so-called consciousness is a flicker, it’s a dream that nobody dreams.)
Daniel Kehlmann, F

Shaking ground, pillars that lie

A spaceship is travelling from Earth to Mars. Some passengers die for no apparent reason, others are haunted by nightmares, yet nothing can stop them on their journey to a new planet. In his tale The Exiles, Ray Bradbury sets a future civilization of disciples of reason and science on a collision course with what their minds have invented in the past – what their fantasy has spawned, the great poems of enchantment, of magic, of the abysmal that have been destroyed in the interest of an enlightened world devoid of any chaos. Edgar Allan Poe, Charles Dickens, William Shakespeare, and their creatures, together with many others, have fled to Mars and now they are desperately trying to defend their realm against the approaching spacemen. Bradbury’s visual parable on cold reason’s victory over creativity and the irrational – anticipating the topic of his later novel, Fahrenheit 451 – leads us deeply into the worlds of psyche, of dreams and imagination, thus establishing a close relation to his role model, Edgar Allan Poe.
In this, we can find many parallels to the works of Constantin Wallhäuser – not only the fact that the artist names Poe’s tales as his most important source of inspiration. In his works, Wallhäuser is an expert juggler of the mechanisms of magic and the occult, conjuring up collective ghosts and longings right into our own materialist present. For this, he uses diverse means that immediately draw the spectator into the strange worlds of his stage-like, suggestive spaces. Wallhäuser cunningly composes and directs space, sculpture, video, light, and sound, compressing them into narrative.
The work Tischfinsternis (Total Eclipse of a Table) derives its effect from a trick that is as simple as it is impressive. We are looking at a real sculpture – a plain wooden table with supposed woodgrain – and a hand, gently, probingly feeling the table, is projected onto its surface. The hand, astoundingly, seems to be moving beneath the wooden texture, in a kind of in-between, a space not really belonging, neither to the real table, nor to the real moving image, although it quite clearly works its way along the haptics of the table’s grain. The technical solution: the artist has filmed the table and projected the image 1:1 on its own surface, or, to put it another way, the table is equally reality and image, while the hand is a ghostly apparition in an indeterminate in-between.
Constantin Wallhäuser continuously finds impressive images like these for a world in-between that seems to belong to the realm of dreams, of memories, of the mysterious. At the same time, they turn out to be a juggler’s tricks, camouflage. Here, too, the wooden grain is a lie, a cheap imitation made of PVC and Styrodur. The artist loves to use set pieces like these; he calls them “materials of longing”, i.e. materials that merely fake feeling and make all the cracks visible. Wallhäuser’s works imply roots of the spirit of German romanticism, of the symbolism of the 19th century, and these reminiscences appear as images of longing, the function of which is unmasked the moment they are presented. See the projection installation Der Münzfund (Finding of Coins), the title of which alludes to the secret behind this work. In the foreground, we see a sculpture in the shape of a wooden block, and behind, on the wall, the projection of a figure axes away at the block’s shadow. Based on an actual accidental finding of the artist, the wooden block the projected lumberjack keeps hacking into becomes an object of mythical essence. In a fairy tale, the axman would probably eventually find the treasure buried within the block, but here, he is compelled to keep digging the axe into the shadow ceaselessly, a shadow, by the way, cast by a wooden block that is not what it seems, but an imitation made of plasterboard (Rigips). Essentially, this work intertwines four grades, or levels of reality: the supposed wooden block, the sharp silhouette it casts onto the wall, the projected figure – and the wooden block the artist originally found, which underlies the scene as a narrative, as memory, as a symbol of longing that can never be fulfilled. The shadow, here, is the most distinguishable, you might say, the most real detail, which puts it into a key position of being the mediator between body and spirit, or between reality and symbol. The shadow proves the existence of the wooden block, without really giving away its texture. It is the object of what happens, without physical presence.
We are faced with metaphysical challenges that cannot be solved. The acting figure in its realm of the in-between – always the artist, always wearing the same suit, providing identity – struggles with the world it lives in. The material the figure has to work with lies somewhere between reality and shadow, or copy. The form of being it moves in equally remains indeterminate, its actions are desperate, yet ultimately without result. The tales, told between irony and tragic, are always tales of failure, which counteract the meaninglessness of the deeds by the deeds themselves. The projected figure in Die Axt (The Tell Tale Heart) angrily and evidently very exerted hacks away at a huge red stack of wood, which continues on as a real installation into the exhibition space, strangely making the helplessness of the act shown in the video even more tangible. The artist deconstructs the world he creates for himself. What he does should not be construed as ironic commentary on artistic works. Rather, it is a metaphor for the very acts of humankind. The cracks in the levels of reality, the fact that the situation cannot be solved, create an empty space that ultimately everyone has to fill for themselves.
Das Orchester (The Orchestra) was created for the exhibition space in an old iron shop in Berlin’s Wallstraße, which is carried by four cast-iron pillars. Wallhäuser adopted the round shape of the gallery to turn it into a half-round projection surface and he imitated the pillars dominating the space with the help of PVC and Styrodur. The copies he distributed around the space enhanced the projection surface for the video that sort of bit its way into the reality of the room. A figure appears and hangs a bent, turned wooden stick into the room, which is projected as coloured image, and as its black shadow. The maître d’ exits, enters with a new stick, and keeps repeating this for 17 minutes, until a thick black web, or a dancing barcode, is visible. Here, the artist’s love for the turned material becomes apparent, where the manufacturing gives body to a line, and though it makes the stick thinner and weaker, it also lends fragility and elegance, appearing more sophisticated. Every new stick adds the note of an instrument tuned to A, to synchronize with the orchestra. The mass of sticks and sounds carried inside with them sums up to an orchestral cacophony. At the end, among the highest disorder, we can also hear voices from the audience, from the orchestral trench, or even inside our heads – we have long lost the ability to differentiate between what is real and what is fake here, we don’t know where the actual room ends and the fake begins. The artist achieves this complete interweaving into the image, because his projections are always life size, drawing the spectator inside, as though they were involved themselves. The projection surfaces of the fake pillars bring the action even closer to the spectator, sort of magnifying it, making us allies in a game the hypnotic effects of which you can hardly stay away from, until you completely lose the difference between reality and illusion.
One of the particularities in Wallhäuser’s works is that he shows us how willfully we allow ourselves to be manipulated. His suggestive tricks are like the seductive art of the automatic puppet Olimpia in E.T.A. Hoffmann’s artful fairy tale The Sandman. The beautiful puppet, seemingly alive, bewitches young Nathanael with the help of an optical glass. The artist’s refineries are simple, but just as seductive. In his latest work Josiah, he projects an old Western movie through the bottom of a rotating used whisky glass. Our eyes take a while to be able to filter at least some shreds of image out of this cloudy noise. Fragments of the narration appear, a cowboy, a galloping horse, a rolling coach, and they dissolve immediately, become schemes, like a memory of a world that is illusion itself. The image’s deconstruction reminds us of early modern experiments with moving images and light, the effects of which Laszlo Moholy-Nagy has described as articulation of emotion, as “an inner vision in motion” . The underlying audio, cut together from a collection of sound-recordings, enhances the feeling of being underwater, or hearing your own blood pulse through your veins. An ultrasonic image of memory, which is so compelling simply because it takes away more than it explains.
The work Without A Ding Dong Thing On My Mind also consists of a video projected through rotating glass, this time of a dancing figure. The method of projecting makes the legs appear much longer, while the upper rest of the human shape dissolves in a fog, its head somewhere in the clouds. The dance is a gliding, sometimes stumbling movement on a shaking floor. We hear the sounds from a new year’s night: fireworks, voices, clinking of glasses – canned happiness, making the loneliness of the dancing legs even more obvious. It is moments of organized festivity, of collective hope, that again provide materials of longing for the artist. Moments that may make „longings not lived, discarded ideas of life, badly lifted weights, depressing heights, haunted depths“ (Wallhäuser) tangible like almost nothing else can. But what’s the use? On the rotating floor of its little world stage, the figure keeps on dancing. Constantin Wallhäuser continuously succeeds in dramatically escalating, in distilling examples for moments of observed, lived, or dreamt reality, and he transforms them into existential images. This work evokes the magical feeling of a new year’s night meeting the hangover of the morning after, the clinging to an illusion colliding with the toil of waking up to a grey dawn, the lonesome walk through the city’s dirty morning in which dreams shatter. Just as the most intense moments often have to be paid for with sobriety, the fireworks, here, is a fog, even as it is born. And as in the last line of the song Frank Sinatra sings (which gives this book its title), the work seems to challenge us to continue, even though the longing remains, and the protagonist is already on the way to move on to different stars: excuse me, while I disappear.

Komm, lass uns tanzen wie Glaskörperflocken

von Joshua Groß

erschienen im Katalog: Constantin Wallhäuser - Excuse Me While I Disappear, Verlag Kettler 2017

Ich habe in einem Forum gelesen, dass einige Menschen angeblich die »Fähigkeit entwickelt haben, Phänomene zu beobachten, die vom Gehirn normalerweise ausgeblendet werden.« Mit dieser Erklärung soll ein User beruhigt werden, dem regelmäßig schwindlig wird, weil er »schon seit Jahren kleine Lichtpunkte vor den Augen hat, die sich bewegen.« Auch Wilhelm Reich hat sich mit diesen Lichtpunkten beschäftigt, wie eine Passage in David Boadellas Buch Wilhelm Reich. The Evolution of His Work (1973) verdeutlicht:

»Blickt man an einem klaren Tag in den Himmel, entspannt die Augen und lässt den Blick ins Leere schweifen, dann werden eine Anzahl winziger Lichtpünktchen sichtbar, die in wirbelnder Kreisbewegung dahinzutanzen scheinen. Jeder, der auf diese Weise in den Himmel schaut, kann diese Lichtpünktchen sehen, und doch nehmen die wenigsten Menschen sie wahr, wenn man sie nicht ausdrücklich darauf aufmerksam macht. In den Annalen der Naturwissenschaft findet sich keine Darstellung dieser Lichtpunkte. Die Frage scheint nicht belanglos, ob es sich bei ihnen um artifizielle Produkte des menschlichen Auges (endoptische Phänomene) oder um Attribute der Erdatmosphäre (exoptische Phänomene) handelt, wie Reich glaubte; weder die humanbiologischen noch die meteorologischen Lehrbücher verschaffen uns Aufschluss über diese Erscheinungen. Sie wurden noch niemals untersucht, weil Wissenschaftler in der Regel ihre kostbare Zeit nicht dafür opfern […] in den blauen Himmel zu starren.«

Der Schwindel und die daran anschließende Forumsdiskussion bekommen beim Lesen dieser Passage sofort eine zusätzliche Dimension, die geheimnisvoll oder sciencefictionmäßig wirkt; als wären diese Lichtpunkte gleichermaßen abseitig, mystisch und bedenklich.

Ich selbst habe viele Stunden meiner Kindheit damit verbracht, sie systematisch zu observieren und zu erforschen, mit zusammengekniffenen Augen; und zwar aus Neugier und Paranoia. Ich hatte nicht direkt Angst vor diesen Lichtpunkten, aber sie haben mich überall hin begleitet, wo es hell war, ohne dass ich irgendeinen Einfluss auf sie nehmen oder Erkenntnis aus ihnen hätte generieren können. Bei Thomas Pynchon heißt es einmal, ein Wunder würde das Eindringen einer anderen Welt in diese bedeuten. Und ungefähr so kamen mir diese Lichtpunkte vor; wie ein andauerndes Wunder jenseits nachvollziehbarer Sinnzusammenhänge. Vielleicht konnten sie bei mir deshalb gleichzeitig Schauer und Sehnsucht auslösen. Auch heute vergewissere ich mich hin und wieder, dass ich sie noch immer sehen kann.

Mittlerweile können wir die Beschaffenheit dieser Lichtpunkte aber auch wissenschaftlich erklären; sie werden Mouches volantes genannt, beziehungsweise Glaskörperflocken. Es handelt sich nachweislich um ein endoptisches Phänomen: Geleeartige Flüssigkeit im Glaskörper des Auges kondensiert und evoziert so Schatten- und Beugungseffekte, wenn Licht hinein fällt.

Das ändert allerdings nichts am grundsätzlichen Mysterium der Lichtpunkte. Sie wirken weiterhin wie metaphysische Glitches, wie Risse in unserer opaken Instantwelt. Als wäre es keine Fähigkeit, diese Lichtpunkte zu sehen, sondern ein Verdammnis. Eine widerweltliche Weigerung, die sich der Säuberung durch die Algorithmen entzieht. Eine Erinnerung, dass unsere Wahrnehmungsfähigkeiten nur schwach entwickelt sind; dass in uns selbst (bis in anatomische Grundstrukturen hinein) immer ein spiritueller Dilettantismus angelegt ist.

Und gleichzeitig sind sie Symptome unserer Verständnislosigkeit. Symptome einer grundlegenden Ahnung, einer Urahnung quasi, dass unser Bewusstsein eigentlich nur ein Schicksalsschlag des Universums ist; dass diese Abzweigungen, die wir alle ständig nehmen, ganz falsch sind; dass wir immerzu ganz woanders stranden. In diesem Immerzu steckt sowohl der Loop als auch das Unheimliche, sowohl der Schauer als auch die Sehnsucht. Im Loop selbst steckt immerzu das Unheimliche, das Entsetzen unserer aussichtslosen Bemühungen, das Kreisen um den metaphysischen Glitch. Gehen Sie zurück auf Los. Straucheln Sie wieder. Straucheln sie weiter. Straucheln Sie besser. Bemerken Sie wieder diese Lichtpunkte und fragen Sie sich: Für was sind sie symptomatisch?

Bedenken wir die Frage von Julio Cortázars: »Wiederholen wir jeden Tag in jeder Geste das ungelöste Chaos?« Wiederholen wir jeden Tag in jeder Geste die Lichtpunkte? Wiederholen wir immerzu den Loop? Sind wir selbst der Loop, bis wir verschwinden oder tanzen?

Ich kann mir gar nichts vorstellen unter der Glaskörperflüssigkeit in meinem Auge, ich kann sie nicht spüren. Ich weiß nur, dass Wilhelm Reich, der unsere Rettung und unsere Hybris ist, glaubte, die Lichtpunkte würden ganz von selbst in der Atmosphäre existieren. So wie wir alle vielleicht ganz von selbst in der Atmosphäre existieren.

Ich glaube, wenn Constantin Wallhäuser in seinen Installationen auftritt und tanzt, ist er wie einer dieser Lichtpunkte: Erweitert um eine zusätzliche Dimension; angetrieben von einem spirituellen Dilettantismus, der Schauer und Sehnsucht auslöst; und auch fragil, also ungefähr so, dass man nicht mit Sicherheit sagen kann, wo er sich gerade aufhält: Existiert er ganz von selbst in der Atmosphäre? Ist er ein endoptisches Phänomen oder ein exoptisches?

Wir sehen den tanzenden Künstler wie einen Traum von Agent Dale Cooper in Twin Peaks; wir sehen seine Silhouette, unterbrochen von hängendem Holz; wir sehen ihn, weil wir die Fähigkeit entwickelt haben, Phänomene zu beobachten, die von unserem Gehirn normalerweise ausgeblendet werden; wir sehen ihn, weil wir gleichzeitig wissen, dass es ein Universum geben könnte, das nur aus Musik, Zeit und Dunkelheit besteht.

Existiert die Silhouette des Künstlers ganz von selbst in der Atmosphäre? Unabhängig von Constantin Wallhäuser, der seine Silhouette erschafft und dann aber nicht aufhört zu altern? Der sich selbst filmt und unterbricht mit hängendem Holz? Der sich immer wieder filmt, sich immer wieder in Loops bannt und trotzdem nicht damit aufhören kann zu altern? Existieren viele Silhouetten des Künstlers unabhängig in der Atmosphäre, wie Strafrunden oder Gelächter, und erinnern uns daran, dass wir jeden Tag in jeder Geste das ungelöste Chaos wiederholen?

Kann ich mir vorstellen, dass die Silhouette von Constantin Wallhäuser ein Glaskörperflocken ist, obwohl ich mir meine eigene Glaskörperflüssigkeit nicht vorstellen kann? Ich sehe die Lichtpunkte, auch wenn ich mir die Flüssigkeit nicht vorstellen kann; und deshalb sehe ich auch die tanzende Silhouette des Künstlers, ohne mir die Flüssigkeit vorstellen zu müssen. Die tanzende Silhouette ist nur ein Kondensat, das Schatten- und Beugungseffekte evoziert. Die tanzende Silhouette des Künstlers existiert entweder ganz nah an meiner Netzhaut, als anmutige Verklumpung meiner Glaskörperflüssigkeit; oder unabhängig von mir irgendwo ganz für sich alleine, immerzu in ihrem Loop. Die tanzende Silhouette ist meine Fähigkeit oder meine Verdammnis. Ich kann das sagen, obwohl meine Wahrnehmungsfähigkeiten nur schwach entwickelt sind, und zwar, weil ich den Schauer und die Sehnsucht kenne; weil ich das hängende Holz abnehmen kann und gleichzeitig weiß, dass die Lichtpunkte bleiben werden; weil uns die tanzende Silhouette des Künstlers nicht überall da erscheint, wo es hell ist, sondern vielleicht in einem Universum aus Musik, Zeit und Dunkelheit; weil ich weiß, dass dieses Universum wie das Eindringen einer anderen Welt in diese ist; und weil ich weiß, dass Constantin Wallhäuser irgendwo anders ist und nicht aufhören kann zu altern.

Shaking ground, pillars that lie

von Joshua Groß

published in the catalogue: Constantin Wallhäuser - Excuse Me While I Disappear, Verlag Kettler 2017

In an online forum, I read that some people are said to have „developed the ability to observe phenomena that our brain usually hides.“ This explanation was supposed to calm a user who regularly feels dizzy, because he has „small points of light moving in front of the eyes, for years now.” Wilhelm Reich also concerned himself with these flakes of light, as we can see from a section in David Boadella’s book Wilhelm Reich. The Evolution of His Work (1973):

„When you stare into the sky on a clear day, relax your eyes, and let them stray into the emptiness, a number of tiny points of light become visible, which seem to dance along in whirling circles. Anyone who looks into the sky like that can see these dots of light, yet unless they are expressly pointed out, only few people are aware of them. In the history of natural science, these flakes of light have no representation. It does not seem irrelevant to ask whether they are artificial products of the human eye (endo-optical phenomena), or can be attributed to the Earth’s atmosphere (exo-optical phenomena), as Reich believed; neither human biological nor meteorological works answer our questions regarding these apparitions. They have never been researched, because in general, scientists will not sacrifice their valuable time […] staring into the blue sky.“

After reading this section, the feeling of dizziness, and the ensuing discussion in the forum instantly acquire another dimension, a touch of the mysterious, or science fiction, as though these flakes of light were at the same time impertinent, mystical, and reason for concern.

As a child I, myself, have spent many hours systematically observing and examining them with my eyes squeezed nearly shut – both out of curiosity, and out of paranoia. It wasn’t that I was scared of these dots, but they accompanied me wherever it was light, and I was unable to influence them in any way, nor could I derive any knowledge from them. Thomas Pynchon writes somewhere that a miracle means the intrusion of another world into this. And that is how I saw these flakes of light, as a continuing amazement beyond understandable coherent meaning. Maybe that is why they caused horror and longing in me at the same time. Even today every now and then I check if I can still see them.

Nowadays, though, we are able to find scientific explanations for these dots of light: they are called Mouches volantes, or vitreous body floaters. It has been proven that they are an endo-optical phenomenon: a gel-like liquid in the eye’s vitreous body condensates and evokes effects of shadow and bending, when light enters.

However, this does not change the essential mystery of the flakes of light. They still seem like metaphysical glitches, like fissures in our opaque instant world. As though being able to see them were no ability, but a damnation. A refusal of a counter-world, withdrawing from being cleansed by algorithms. A reminder that our perception is but weak; that we are always invested (to our anatomic essentials) with a spiritual amateurism.

And at the same time, they are symptoms of our inability to understand. Symptoms of a fundamental idea, an original idea that our consciousness is really nothing but a stroke of fate by the universe; that these turns we keep taking are completely wrong; that we are incessantly stranding somewhere else. This incessantly bears both the loop and the uncanny, both the shiver and the longing. The loop itself incessantly bears the uncanny, the horror of our hopeless efforts, the circling around the metaphysical glitch. Back to square one. Stumble again. Stumble on. Stumble better. Be aware of these flakes of light again, and ask yourself: what are they symptoms of?

Let us consider Julio Cortázar’s question: „Do we repeat every day, in every gesture the unsolved chaos?“ Do we repeat every day, in every gesture the flakes of light? Do we incessantly repeat the loop? Are we, ourselves, the loop, until we disappear, or dance?

I have no idea about the vitreous body’s liquid in my eyes, I cannot feel it. All I know is that Wilhelm Reich, who is our salvation and our hubris, believed the flakes of light existed on their own inside the atmosphere. Just like we all perhaps exist on our own inside the atmosphere.

I believe when Constantin Wallhäuser appears in his installations and starts to dance, he is like one of these flakes of light: enhanced by another dimension; driven by a spiritual amateurism that causes shiver and longing; and also fragile, that is, almost like you cannot really tell confidently where he is right now: does he exist on his own inside the atmosphere? Is he an endo-optical phenomenon, or an exo-optical one?

We see the dancing artist as in a dream by Agent Dale Cooper in Twin Peaks: we see his silhouette, interrupted by hanging pieces of wood; we see him, because we have developed the ability to observe phenomena that are usually hidden by our brains; we see him, because at the same time we know that there could be a universe that consists only of music, time, and darkness.

Does the artist’s silhouette exist all on its own inside the atmosphere? Independently of Constantin Wallhäuser, who creates his silhouette, but then does not stop ageing? Who films and interrupts himself with hanging pieces of wood? Who keeps filming himself, keeps captivating himself in loops, and yet cannot stop ageing? Are there many silhouettes of the artist independently in the atmosphere, like penalty rounds or laughter, reminding us that we repeat every day, in every gesture the unsolved chaos?

Can I imagine that Constantin Wallhäuser’s silhouette is a vitreous body floater, even though I cannot imagine my own vitreous body’s liquid? I see the flakes of light, although I cannot imagine the liquid; therefore, I see the artist’s dancing silhouette, without having to imagine the liquid. The dancing silhouette is but a condensate evoking effects of shadow, or bending. The artist’s dancing silhouette exists either very close to my retina, as graceful clump of my vitreous body’s liquid, or independently from me, somewhere all on its own, in its loop incessantly. The dancing silhouette is my ability, or my damnation. The reason I can say that, although my perception is but weak, is because I know the shiver and the longing; because I can take away the hanging pieces of wood and at the same time know that the flakes of light will remain; because the artist’s dancing silhouette does not appear for us wherever it is light, but perhaps in a universe that consists only of music, time, and darkness; because I know that this universe is like the intrusion of another world into this; and because I know that Constantin Wallhäuser is somewhere else and cannot stop ageing.